Predigt

Vater unser …

Bernsteiner Not – Rundbrief

Liebe Gemeinde!

Angesichts der Ausnahmesituation durch den Corona-Virus gibt es einen „Notrundbrief“ für die Gemeinde.

Der Brief orientiert sich am Predigttext für den jeweiligen Sonntag.

Sonntag Lätare, 22.03.2020

10 Freut euch mit Jerusalem und frohlockt über sie, ihr alle, die ihr sie liebt; frohlockt, teilt nun auch ihre Freude mit ihr, ihr alle, die ihr euch um sie betrübt habt, 11 indem ihr euch satt trinkt an ihrer tröstenden Brust, indem ihr euch in vollen Zügen labt an der Fülle ihrer Herrlichkeit! 12 Denn so spricht der HERR: Siehe, ich will den Frieden zu ihr hinleiten wie einen Strom und die Herrlichkeit der Heidenvölker wie einen überfließenden Bach; und ihr sollt gestillt werden. Man wird euch auf den Armen tragen und auf den Knien liebkosen. 13 Wie einen, den seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten; ja, in Jerusalem sollt ihr getröstet werden! 14 Und wenn ihr dies seht, dann wird euer Herz sich freuen, und eure Gebeine werden sprossen wie grünes Gras. So wird sich die Hand des HERRN zu erkennen geben an seinen Knechten, sein Zorn aber an seinen Feinden. (Jesaja 66,10-14)

Freude? Trost. Hoffnung!

Liebe Gemeinde! Naja, Freude wird man in diesen Zeiten wohl kaum empfinden. Das Corona-Virus hat die Welt im Griff, das gesellschaftliche Leben ist auch in Deutschland lahm gelegt. Auch die Kirche ist davon betroffen. Der Staat greift in unser persönliches Leben ein wie seit langem nicht mehr. Da sind viele Sorgen, nicht nur um die eigene Gesundheit, womöglich auch um das Leben, sondern auch um wirtschaftliche Existenz, um persönliche Lebensentwürfe … Uns wird auf einmal sehr deutlich bewusst, dass die Zukunft nicht planbar ist, dass nichts sicher ist.

Dass die ganze Entwicklung so apokalyptisch erscheint, liegt sicher auch daran, dass der Gegner nicht zu sehen, nicht zu greifen ist, und dass wir uns ausgeliefert und hilflos fühlen.

Wir leben – mitten in unserer Heimat – irgendwie doch in einem Zustand des Exils.

Israel hat auch solche Situationen erlebt. Immer wieder. Jerusalem erobert, zerstört. Menschen verschleppt, der Tempel vernichtet, das religiöse und gesellschaftliche Leben weitgehend lahmgelegt. Nullpunktsituationen sind das, Momente, in denen nichts mehr zu gehen scheint, absoluter Stillstand.

Wir kennen dieses Phänomen aus persönlichen Erfahrungen: eine schlechte Diagnose, der Tod eines geliebten Menschen … Auch da geht das Leben an einem vorbei, man fühlt sich gefangen.

Dieses Mal sind wir aber irgendwie alle betroffen. Die Verunsicherung ist groß, weil wir alle mit dieser Situation neue Erfahrungen machen. Wer und was kann da Halt geben? Klare Entscheidungen sind sicher eine Maßnahme, die zur Beruhigung beitragen kann. Auch die unaufgeregte wissenschaftliche Betrachtung eines unbekannten Phänomens ist vertrauensbildend. Aber was hilft vor Ort bei konkreten Bedürfnissen?

Hamsterkäufe sicher nicht. Auch Panikmache ist fehl am Platz. Aber Trost, den braucht es jetzt.

Und auch davon spricht Jesaja. Im Moment ist die Zeit des Trostes angesagt. Denn Trost bedeutet:

Solidarität, Unterstützung, Begleitung. Und da erleben wir in diesen Tagen doch sehr vieles, das Hoffnung macht. Menschen organisieren Nachbarschaftshilfen für die so genannten Risikogruppen, vor allem ältere und kranke Menschen.

Die Behörden suchen neue Wege, wenigstens eine Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Restaurants bieten kontaktfreie Lieferdienste an. Ganz zu schweigen von dem Einsatz der Krankenhauskräfte und Angestellten der Lebensmittelläden, die jetzt eine Überstunde nach der anderen schieben, um uns mit dem Nötigsten zu versorgen. All das, was funktioniert, was uns Solidarität spüren lässt und konkret hilft, all das ist eine Form von Trost, den wir alle dringend nötig haben:

um Kraft zu sammeln, um nicht zu vereinsamen, um Lebensmut zu gewinnen, um Zuversicht zu entwickeln …

Und dann, irgendwann, ist sicher auch wieder die Zeit der Freude und Ausgelassenheit. So wie Jesaja es seinem Volk damals versprochen hat, als noch alles verloren schien. Denn der Prophet ist davon überzeugt, dass, so unsicher die Zukunft auch sein mag, auch sie Zeit ist, die von Gott begleitet bleibt.

Deshalb bleibt es für uns als Kirche wichtig, Mittel frei zu machen und Wege zu finden, um miteinander in Kontakt zu bleiben, uns gegenseitig zu ermutigen und das Evangelium zu teilen.

Auch wenn die normalen Versammlungen am Sonntag ausbleiben, heißt das ja nicht, dass kein Gottedienst – Gottes Dienst – stattfindet. Mehr denn je merken wir nun vielleicht, dass sich Kirche eben nicht nur an einem Tag der Woche und nicht nur in „der“ Kirche ereignet, sondern viele Möglichkeiten hat, sich in der Welt zu entfalten.

Es gilt: Gott bleibt gegenwärtig. Überall und zu jeder Zeit.

AMEN

Herzliche Grüße und Gott befohlen!

Pfr. Bernd Wagner

Gebete

Herr Jesus Christus,
wir sind verunsichert und machen uns große Sorgen.
Ein Virus geht um die Welt, der das Leben lahm legt
und uns vor Herausforderungen stellt, die uns bisher unbekannt waren.
Stündlich erreichen uns Nachrichten, die deutlich machen,
dass guter Rat teuer ist.

So wenden wir uns an dich, wissend, dass wir mit unseren Fragen und unseren Ängsten bei dir gut aufgehoben sind.
Sag uns ein Wort der Ermutigung,
tröste uns mit einer Geste der Begleitung, schenke uns Hoffnung durch deinen Segen.

Herr, erbarme dich über uns!

Herr Jesus Christus,
die Welt sieht anders aus als noch vor ein paar Tagen.

Wir bitten dich, dass wir in der akuten Ausnahmesituation,
in der wir uns befinden, weder den Verstand noch das Herz verlieren.
Lass uns besonnen bleiben, Barmherzigkeit üben, wo es möglich ist und Wege finden, dass wir uns trotz Distanz nicht aus den Augen verlieren.

Lass uns dankbar sein gegenüber jenen, die sich nun aufopferungsvoll um das Wohl der Allgemeinheit kümmern.
Wo wir dazu in der Lage sind, lass uns helfen.

Nicht vergessen wollen wir aber auch jene, die nun in Vergessenheit geraten:
die Flüchtlinge, die Menschen in Kriegsgebieten, die Hungernden, die Verfolgten.

Unser Leben, Herr, liegt in deinen guten Händen.
Lass uns nicht fallen …